Studiensystem in Mexiko

in Kultur
Gebäude am Haupteingang der Tecnológico de Monterrey (die Tafel zeigt eine historische Schlacht der Maya)

Gebäude am Haupteingang der Tecnológico de Monterrey (die Tafel zeigt eine historische Schlacht der Maya)

Studieren in Mexiko – das ist etwas ganz anderes als in Deutschland. Ob nun Lernmethodik, Bewertungskriterien oder grundsätzliche Studienorganisation. Das alles ist grundsätzlich verschieden. Die Frage die sich jetzt sicherlich viele Stellen werden: Ist es leichter, oder schwerer? Doch nein … so einfach ist es nicht. Die Antwortet lautet: Weder noch – es ist halt anders. Es war für mich sehr interessant einmal den „Mexican Way of Studying“ zu erleben, da mir dadurch viele Vor- aber auch Nachteile unseres eigenen Systems klar wurden. Aber ganz konkret, wo liegen denn nun die Unterschiede?

In der Betriebswirtschaft unterscheidet man oft zwischen zwei Führungsphilosophien namens X & Y. Die X-Theorie geht davon aus, dass jeder Mensch grundsätzlich faul ist, Arbeit möglichst aus dem Weg geht und nur von außen (z.B. über monetäre Anreize) motiviert wird. In der Y-Theorie ist das Gegenteil der Fall, d.h. die Arbeit an sich ist eine Quelle der Zufriedenheit (z.B. weil man dort Kreativität ausleben kann). Das Szenario welches ein Unternehmen für wahrscheinlicher hält bildet dann die Grundlage für die Unternehmensorganisation. Warum erzähle ich euch das? Ganz einfach: Diese Logik lässt sich auch 1:1 auf die beiden Studiensysteme übertragen.

In Deutschland dominiert ganz klar die Y-Philosophie. Als Student hat man alle Freiheiten, die man sich wünschen kann. Es gibt in Vorlesungen keine Anwesenheitspflicht. Da es nur ein Examen am Ende des Semesters gibt, kann man sich den Stoff der Vorlesungen zeitlich selbst einteilen, usw. Doch damit geht auch eine gewisse Verantwortung einher, der nicht alle Studenten gewachsen sind. So ist bspw. das ganze Semester zu verschlafen in Verbindung mit der zweiwöchigen Hardcore Last Minute Lernsession kurz vor den Prüfungen weit verbreitet und führt sicherlich nicht immer zum bestmöglichen Lernerfolg.

In Mexiko ist das System ganz im Sinne der X-Theorie auf den faulen Partystudenten ausgerichtet, der weder Interesse noch Motivation für sein Studium aufweist. Bei allen Vorlesungen wird zu Beginn deswegen eine Anwesenheitskontrolle durchgeführt und wer im Semester 3-6 Mal (je nach Wochenstunden) fehlt wird nicht zur Prüfung zugelassen. Es gibt regelmäßig Hausaufgaben und zusätzlich weitere Lernkontrollen in Form von Kurztests und Teilexamen. Die Abschlussklausur zählt deswegen oft nur noch 15-20%. Die Nachteile dieses Systems liegen auf der Hand: Man sitzt regelmäßig in Vorlesungen oder vor Hausaufgaben die einen nicht weiterbringen und verliert kostbare Zeit, die man stattdessen auch für produktive Tätigkeiten hätte nutzen können.

Es ist schwierig zu sagen welcher der beiden Ansätze überlegen ist, also im Schnitt am Ende die besseren Studenten produziert. Für mich persönlich bevorzuge ich das deutsche Studiensystem, aber ich weiß, dass es hier auch viele Studenten gibt denen ein bisschen Zwang sehr gut tun würde. Insofern lasse ich diese Frage hier offen stehen.

Abseits dieser beiden grundsätzlichen Unterschiede, gibt es noch weitere Dinge die in Mexiko und Deutschland anders laufen. In Mexiko arbeitet man enorm viel in Gruppen, sodass man eigentlich jede Woche einen anderen Abgabetermin einhalten muss. Da sich die Zusammensetzung meistens jedes Mal ändert und die TEC viele Austauschstudenten hat bekommt man immer wieder aufs Neue die Gelegenheit die Arbeitsweise anderer Kulturen kennenzulernen. Mit Leuten aus Hong Kong, Afrika, Mexiko, USA und allen Teilen Europas zusammenzuarbeiten war mit Sicherheit eine der besten Studienerfahrungen die ich in Mexiko gemacht habe.

Während in Deutschland meist nur Theorien und deren Anwendung vom Dozenten vorgebetet werden, beginnt der Lernprozess in Mexiko oft typischerweise mit einem Problem. Die Hausaufgabe lautet dann sich die Lösung selbst zu Hause zu erarbeiten. Der Dozent bespricht letztlich lediglich die Lösung und geht zum nächsten Problem über.

Ansonsten sind vielleicht noch die zahlreichen Multiple-Choice Tests und Präsentationen erwähnenswert, die in Mexiko einen erheblichen Teil der Endnote ausmachen.

Fazit: Ich fand es sehr spannend mal für ein Semester etwas anderes zu erleben und ich denke das wird euch genauso gehen. Ich wünsche euch, dass ihr die Gelegenheit dazu bekommt!

Euer Freund Florian

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