Weihnachten auf Mexikanisch

in Erlebnisberichte
Rosca de Reyes (Kranz der Könige), mexikanisches Weihnachtsgebäck

Rosca de Reyes (Kranz der Könige), mexikanisches Weihnachtsgebäck

Wer kennt das Klischee nicht? Wir Deutschen sind verschlossen und Fremden gegenüber tendenziell sehr misstrauisch. Und wenn man dann an einen Lateinamerikaner denkt stellt man sich meist sofort einen herzensguten und offenen Menschen vor. Doch entspricht das der Realität? Wie viel ist wirklich dran, an diesem Gerücht? Wie so oft bei Stereotypen gilt auch hier: Sie werden überspitzt dargestellt, es kommt immer individuell auf die einzelne Person an und… im Kern steckt ein bisschen Wahrheit.

Es ist der 24. Dezember 2010. Das Wintersemester ist bereits seit 3 Wochen abgeschlossen und in Monterreys Straßen ist Ruhe eingekehrt. Die meisten internationalen Studenten haben das Land schon verlassen und die meisten Mexikaner sind in ihrer Heimatstadt um Weihnachten mit ihrer Familie zu verbringen. Meine eigene Familie ist über 9000 Kilometer von mir entfernt, denn ich war einer der wenigen verbliebenen in Monterrey. Und so sieht eigentlich alles nach einem ruhigen, eher trostlosen Weihnachtsfest aus. Kein Christbaum, keine Geschenke und kein Weihnachtsessen. Im besten Fall steht „Rumhängen und ein paar Bier trinken“ in Aussicht.

Doch dann öffnet sich plötzlich ein Chatfenster: „¿Qué haces el día de Nochebuena?“ – Was machst du am Weihnachtsabend? Was war passiert? Eine flüchtige Bekannte die ich zu Beginn des Semesters kennenlernte und vor Monaten das letzte Mal sah, hatte mich angeschrieben. Und kurze Zeit später, nachdem sie ihren Eltern (die mich nie zuvor gesehen haben) von meiner Situation erzählte, war ich bei ihrer Familie zum Weihnachtsessen eingeladen. Das Fest fand in engstem Verwandtenkreis statt, sodass wir gerade einmal 7 Personen waren. Wir aßen über Stunden hinweg ein mehrgängiges, typisch mexikanisches Menü. Es folgte kurz vor 24 Uhr die Bescherung und anschlieߟend saßen wir noch bis spät in die Nacht bei Kerzenschein und tauschten in einem Mischmasch aus Spanisch und Englisch Geschichten aus. Die Familie bestand darauf, dass ich über Nacht blieb um am nächsten Tag das traditionelle „Recalentar“ nicht zu verpassen. Dabei treffen sich alle Gäste ein weiteres Mal und das Essen und die weihnachtliche Stimmung vom Vorabend werden wieder aufgewärmt.

Und so kam ich zu einem ganz besonderen und wunderschönen Weihnachtsfest, dass ich sicherlich nie wieder vergessen werde. Dafür möchte ich mich bei meiner Gastfamilie ganz herzlich bedanken!

Ich hoffe ich konnte euch die Mentalität der Mexikaner ein Stück näher bringen und aufzeigen, dass das offenherzige und freimütige Klischee von Ihnen durchaus seine Daseinsberechtigung hat.

Euer Freund Florian

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